Redebeitrag: Menschenleben vor Profite!
Es ist der 1. Mai – in diesen verrückten, anstrengenden und durchaus in vielerlei Hinsicht beängstigenden Zeiten…
Existenzverlust, Krankheit, Arbeitsplatzverlust, Homeschooling, Arbeitsplatzsuche – mega schwierig gerade. All das belastet und macht die Menschen mittlerweile müde – aber auch wütend, weil eben nicht genug getan wird, diesem Zustand ein Ende zu bereiten,…
…weil die gewählten Maßnahmen nicht zielführend sind. Und das betrifft die unterschiedlichsten Bereiche der Gesellschaft: Wir sehen, dass Familien die Homeoffice und Kinderbetreuung managen müssen, am Rande ihrer Belastungsgrenzen stehen. Besonders leiden die Kinder und Jugendlichen, wie eine neue Studie der Bertelsmannstiftung zeigt. Insbesondere, wenn die Familien nicht so gut harmonieren oder finanziell nicht gut aufgestellt sind. Kinder und Jugendliche ohne Zugang und Hilfestellung für das Homeschooling werden abgehängt, weil wir die Digitalisierung nicht vorangetrieben haben. Laut einer Studie des Uniklinikum Hamburg Eppendorf vom Februar zeigt inzwischen fast jedes Dritte Kind psychische Belastungssymptome. Vor der Pandemie waren es ca. 20%.
Viele Eltern bekommen mit dem Kurzarbeitergeld nur ca. 60% ihres vorherigen Gehalts oder bangen um ihre Selbstständigkeit. Auch Empfänger*innen von Unterstützungsleistungen belastet diese Krise extrem. Sie müssen um jeden Euro kämpfen, der gebraucht wird für einen adäquaten Schutz.
Dann das viel beklatschte und dann vergessene Pflegepersonal: – gerade in Sachsen-Anhalt gibt es wenig Kapazitäten für Akutversorgung, zudem waren Arbeitsbedingungen im Pflegesektor schon vor der Pandemie strukturell defizitär. Viele Pflegekräfte haben im Zuge der Pandemie viel zu lange zu hohe Arbeitsbelastung und kaum Ausgleich. Viele sind super engagiert, geben alles, aber die Pflegeberufe wurden und werden nach wie vor arbeitsmarktpolitisch mit den Füßen getreten und wenn sie Glück haben mit einmaligen Zusatzzahlungen abgespeist.
Dieser Zustand führt nun dazu, dass die Attraktivität dieses Berufes extrem abnahm und wir einen noch krasseren Mangel haben werden. Damit werden wir die Zahl an vorausgesagten Patient*innen nicht mal Ansatzweise versorgen können.
Dieser Fachkräftemangel hat also nicht nur Auswirkungen auf die Branche sondern auf die grundlegende Gesundheitsversorgung in diesem Land.
Wann versteht Politik endlich, dass Arbeitskraft zu einem Mensch gehört, der Bedürfnisse und begrenzte Ressourcen hat; auch und besonders in einer Pandemie? Berücksichtigt man das nicht, hat das Konsequenzen.
…und so könnten wir jetzt fortfahren durch viele Berufsgruppen, insbesondere die des Sozialbereichs, die alle strukturell nicht darin unterstützt werden, der Pandemiesituation mit Blick auf Gesundheit und Sicherheit gerecht zu werden. Aber natürlich leiden alle, die die Maschinerie gezwungenermaßen am Laufen halten. Und das sind viele.
Auch die Krankheit selbst zermürbt, verursacht Angst, Leid und Trauer für zig-tausende Menschen, die jemanden verloren haben, an Long-Covid leiden oder jeden tag Panik-Attacken auf dem Weg zur Arbeit haben…
All das passiert, während Aktionären von großen Unternehmen hohe Dividenden ausschütten. Das Geld, was die Politik für die “Rettung” der Konzerne ausgibt, fehlt ganz massiv an den vorher genannten Stellen. Wir sehen sogar, dass Politiker*innen sich durch diese Krise bereichern, deshalb schwerwiegende Fehlentscheidungen treffen und Geld durch unfassbare Inkompetenzen verbrannt wird. Die Prioritäten werden definitiv nicht richtig gesetzt.
Warum ist das so, fragen sich viele – und auch ich führe fast jeden Tag mit Menschen Gespräche darüber, wie das alles sein kann und warum Politik nicht endlich auf Wissenschaft und auch die Mehrheit der Bevölkerung hört. Immerhin fordert die Mehrheit mittlerweile strengere Maßnahmen; doch was wir sehen sind fehlender Mut, Inkompetenz und fehlende Konsequenz in der Bekämpfung des Virus.
Die Ministerpräsident*innen eiern rum und ergreifen an vielen Stellen nicht mehr nachvollziehbare Pseudo-Maßnahmen. Doch dabei stehen offensichtlich nicht Menschenleben im Mittelpunkt, sondern Profite, die Wahlen und kurzfristige ökonomische Machtinteressen.
Das können wir auch daran sehen, dass vor allem das Privatleben so in den Beschränkungen fokussiert wird und nicht die Arbeitswelt!!! Sie wird nur in wenigen Studien als Spreader – also Verbreitungsort – beleuchtet und in den Verordnungen berücksichtigt.
Der Kurs steht längst auf Durchseuchung, auch in den Fabriken, Call-Centern, Großraumbüros, Logistikzentren usw. und das hat weitreichende gesellschaftliche und politische Konsequenzen.
Die immer wieder zu späten und nicht ausreichend konsequenten Lockdowns haben die Risse in unserer Gesellschaft vertieft, viele an den Rand des Erträglichen gebracht und das Vertrauen in die Demokratie massiv geschwächt. Inzwischen ist klar:
Wir werden nicht so aus der Krise rauskommen, wie wir reingegangen sind. Es wird keine alte Normalität danach geben. Nur ein “neues Normal”. Schon jetzt sind über 76.000 Menschen in Deutschland an dem Virus gestorben und viele 1000 Menschen leiden an Long-Covid. Der Virus ist keine Unbekannte mehr, alles wurde von Wissenschaftler*innen vorausberechnet, die Politik wurde gewarnt. Jeder Mensch, der jetzt noch unter dem Virus leidet und darunter noch leiden wird, tut dies auch aufgrund der gescheiterten und mutlosen Pandemiebekämpfung
Ich frage mich: Wer wird dafür die Verantwortung übernehmen?
Die Entscheider*innen müssten das tun, um das Vertrauen in die Demokratie wiederherzustellen.
Viele Menschen wünschen sich das Ende dieses unsicheren Zustandes und da ist es auch nur logische Konsequenz, dass manche von ihnen die Antworten auf ihre Fragen auch an den falschen Stellen suchen und in Richtungen abwandern, die für niemanden gut sind.
Die Unzufriedenheit sucht sich damit ihren unheilvollen Weg.
Der Wunsch nach Öffnungen ist nur zu verständlich und wäre auch möglich. Bisher wurden aber in Deutschland fast nur knapp 8% der Menschen voll geimpft und 27% erstgeimpft. Das reicht lange nicht dafür bald in ein unproblematisches Arbeitsfeld zurückzukehren, wenn ich mir einen Raum mit 20 Kolleg*innen teilen muss.
Wenn wir aber jetzt konsequent das Virus eindämmen, die Inzidenzen auf quasi 0 bringen und dann mit Schutzmaßnahmen lockern: Abstand / Schutzvorrichtungen / Tests – auch und besonders an prekären Arbeitsplätzen, eine qualifizierte Nachverfolgung sichern – dann können wir verhindern, dass uns das Scheitern des Managements noch mehr Menschenleben kostet.
Menschenleben müssen vor Profite und Machtinteressen gehen!
Wichtig ist, dass wir in dieser Zeit füreinander da sind, uns organisieren und unüberhörbar klar machen: Es reicht jetzt! Macht das was notwendig ist, damit wir sicher arbeiten, leben und sein können. Das können wir nur gemeinsam bewältigen.
Lasst uns dafür kämpfen, dass Politik sich verändert, dass wir weiter Arbeitnehmer:innenrechte voranbringen können – besonders jetzt – wieder gegen den Willen von Konzerninteressen, wie es die Arbeiter:innen in der Vergangenheit genauso machen mussten.
Solidarisch und zusammen!
Danke fürs Zuhören!